Fragen am Morgen (und am Abend)

Wozu sind die Sterne da ?

Woher dieser Drang in uns Menschen, uns zu entwickeln, etwas – womöglich Bleibendes – zu leisten, wenn alles nur wieder zu Staub zerfällt ? Was ist dieses Bleibende ? Was bleibt wirklich ? Also: was ist wirklich ? Und : was ist das Wirkliche (an sich) ?

Warum können wir Sinnfragen überhaupt stellen, und wozu sollten wir es tun können, wenn es keinen Sinn hätte nach dem Sinn des Ganzen, nach unserem Sinn zu fragen ?

Fragen, sie regnen auf mich herab, wie kleine, feine Regentröpfchen, ein Fragennieselregen, und ich will jetzt keinen Fragennieselregenschirm aufspannen, ich will ihn spüren, diesen Fragennieselregen. Mich ihm aussetzen. Ohne schnelle Antworten. Ich will mitten hindurch durch die Fata Morganas der „Sicherheiten“ und der „Gewissheiten“.

Ein schöner Septembermorgen, ein klarer Himmel, die Berge steh´n wie eh und je, ich gehe mit meinem Hund die Morgenrunde und genieße einen leichten und angenehm kühlenden Wind, der durch´s Tal strömt. Ein Gefühl wie Anbeginn, dieses Immer-wieder-neu-Beginnen(-Können) und der Zauber, der darin liegt, von dem ein Goethe sprach.

Was ist wahr, was ist Täuschung, was ist hier, in mir, los ? Was kann ich mir zumuten an Ungewissheit, wieviel Glaube(n) ist gesund ?

Immer wieder kann ich alles auf den Prüfstand stellen. Was weiß ich unumstößlich, was ist „sicher“, was sinnvolle Schlussfolgerung, was Vermutung, woran glaube ich mit gewissem Recht, was ist Spekulation und was pure Fantasie, so erfrischend und belebend sie auch sein mag. Was ist These, was schon Übernommenes, ohne dass es mir noch recht bewusst ist – wen akzeptiere ich (außer mir selbst) als Autorität und – warum.

Immer wieder kann ich Fragen stellen, die schon beantwortet sind oder beantwortet scheinen, mit erwachsener, sinnvoller Naivität und mit kindlicher Neugier, mit dem eigenen Scharfsinn so weit vorhaden,  mit all der Kraft des Selbst-schon-Gedachten, der Querverweise des Gewussten, der Fähigkeit , verwandte Muster in einander fernen Sachgebieten zu erkennen etc., mit Hilfe der Intuitionen und der Gedanken der Weisen dieser Welt.

Beides – Prüfstand und Fragestand – sind Orte der sehr individuellen Art der denkerischen Meditation, wenn ich sie denn ernsthaft betreibe oder zulasse, keineswegs mentale Fallen oder Sphären überflüssiger Gedankenproduktion; nein: es könnte sein, dass an diesen „Orten“ sich durchaus wieder und wieder das Schicksal der Welt entscheidet, entschieden hat oder noch entscheidet. „Dort“ kommt es zu Umbrüchen, Richtungsentscheidungen, vielleicht wirklichen und wirksamen Intuitionen, zu Selbstkonfrontation und -analyse und zu (wenigstens einer gewissen ungewissen) Selbsterkenntnis.

Ich habe erlebt, dass „das wirkliche Denken oder das Denken im Wirklichen“ immer wieder mißverstanden worden ist, ob nun durch den Otto-Normalbürger, die spirituelle Traditionen oder durch manche esoterische Strömung der Neuzeit, ja dass es regelrecht denunziert wurde und auf Abstellgleise verwiesen wurde.

Die Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit des Denkens liegt auch in seiner meditativen, sich selbst immer weiter vertiefenden, scheinbar auch kreisförmigen oder sich wiederholenden Ausübung. Jeder Mensch entwickelt wahrscheinlich in diesem Bereich so „seine Technik“, wenn er denn diesen Bereich für wertvoll erachtet.

Wozu sind die Sterne da ?

Woher dieser Drang in uns Menschen, uns zu entwickeln, etwas – womöglich Bleibendes – zu leisten, wenn alles nur wieder zu Staub zerfällt ?

Warum können wir Sinnfragen überhaupt stellen, und wozu sollten wir es tun können, wenn es keinen Sinn hätte nach dem Sinn des Ganzen zu fragen (und es keinen gäbe) ?