Das unzerstörbare Leben
(erschienen am 28.4.2023 bei Manova)
Aus der Liebe zum Lebendigen erwächst die Kraft der Erneuerung, die Entschlossenheit, die Schlachtfelder dieser Welt in Gärten zu verwandeln – und jeglichen Krieg dauerhaft von dieser Welt zu verbannen.
Frühlingsstimmen erklingen. Die Kohlmeisen, Amseln, Sperlinge, Rotkehlchen, Bergfinken ersingen den Morgen — sie begrüßen ihn nun wieder mit ihrem in der Dämmerung einsetzenden Konzert mit den Amseln als Vorsängern. Und ich beobachte dann beim ersten Gang des Tages vor die Tür mit dem Hund einige Exemplare der Vogelschar beim singenden und flirrenden Treiben. Dabei staune ich immer wieder über die unglaubliche Gewandtheit dieser Singvögel, wenn sie ihren Flug in Gleitphasen über die Hecke lenken, dann die verwegensten Abfangbewegungen hin zu Strauch und Baum vollführen, die einem Menschen wohl halsbrecherisch vorkommen müssen — während ein Spatz sich nach Landung auf einem von diesen nachfedernden Zweiglein nur kurz die Flügelein putzt, sich aufplustert, tschilpt, den Kopf wie von ungefähr in meine Richtung wendet: mir zu?
Was für eine Zartheit in vollkommener Gestalt, dieses Vögelchen. Und wie die Lüfte die recht lauthalsen Stimmchen tragen! Was das Menschenherz dann überkommen kann: feine Freude am Mitsein, visueller Genuss abgestimmtester Farbigkeit des Federkleides und sinnvollster Form des Lebendigen, Einstimmen auf die Tiermusikalität; auch eine Art „aurisches Ahnen“ der Vogeltierwesen, und für den Augenblick eine Art Mitvollzug fremden und doch vertrauten tierlichen Daseins in der noch friedlichen Atmosphäre des anbrechenden Tages.
Das Wahrnehmen der unübertrefflichen Schönheit und Großartigkeit schon des manifestierten, sichtbaren Lebens steht manchmal in eigenartigem Widerspruch zum eigenen Zögern, Sich-Vortasten im Angesicht der Herausforderungen des Lebens. Das trifft sich mitten in mir, im Menschen: „Ich bin kein ausgeklügelt‘ Buch — ich bin ein Mensch mit meinem Widerspruch.“ Wohl nur durch das bewährte Annehmen dessen, was ist — und die immer wieder aufzunehmende Arbeit am Widerspenstigen des sich selbst verfälschenden Ich, die Annahme der eigenen Schatten — lässt sich die erlebte Diskrepanz zwischen eigentlichem Anspruch an sich selbst und erlebter Realität wenigstens zum Teil abmildern und auflösen. Mit einer kleinen Zutat von Milde gegenüber: Was für eine aufgewühlte und aufwühlende Zeit … Wer will, wer kann da ohne Fehl und Tadel sein?
„Habe ich genug getan?“, fragt Gunnar Kaiser in einem berührenden Video. Für mich kann ich diese Frage mit Nein beantworten. Ich weiß um die Gründe dafür, ich versuche, mich ihnen zu stellen und sie peu à peu zu entwurzeln: für neue Saat ins oftmals durchpflügte, durchlittene wie beglückende Lebensfeld.
Andernorts, seelisch nicht weit entfernt, schauen Menschen durch Sehschlitze und warten auf die Einschläge von aus ihren Panzern abgefeuerten Granaten. Die zerfetzten Leiber ihrer getroffenen Gegner, die vom Körper gewaltsam entleibten Seelen: Was widerfährt ihnen im Augenblick ihres Todes?
Wir, weitab vom Schlachtfeld, hören die Schreie der Getroffenen nicht, wir erleben nicht unmittelbar den seelischen Zusammenbruch der Angehörigen beim Eintreffen der amtlichen Todesnachricht.
Ich habe mir die offenbar auf telegram-Kanälen veröffentlichten Videoclips von Drohneneinsätzen über Schützengräben nicht angesehen. Krieg-Liveübertragung. Beim Töten und Sterben, medial vermittelt, unmittelbar zusehen, mit der Möglichkeit jederzeitiger Wiederholung. Ein offenbar gezielt eingesetztes Mittel, um „den Gegner“ zu demoralisieren. Dieser Menschheit ist nicht mehr zu helfen. — War es das je? Ist das die richtige Frage im Angesicht des fortgesetzten Verbrechens an Mensch und Natur auf dem ganzen Planeten? Wir schreiben – weil wir auf etwas tief in uns bauen und vertrauen: den Geist des Ganzen, den Sinn.
Wo sind die Vögel, wo sind die Wildtiere im Kampfgebiet geblieben? Über Hunde und Katzen als Begleiter von Soldaten auf beiden Seiten der Front wird zuweilen berichtet. Wie nehmen die Bäume, Sträucher das Kampfgeschehen wahr? Wie nimmt das Gestirn diese Gebiete wahr? Sind das ob der vieltausendfachen Zerstörung von Biografien und Infrastrukturen abwegige Fragen? Welche geomantischen Auswirkungen hat ein Krieg auf andere Gebiete der Erde? Kann sich jemand das Geflecht der Wirkungen der derzeit weltweit circa 400 bewaffneten Konflikte auf die Naturreiche und die kollektive Psyche vorstellen? Dass „die Menschen“ sich nicht anders als tötend und vernichtend über die Erde hinwegbewegen – was will man „von uns“ schon anderes erwarten? Jahrhunderte und Jahrtausende gewaltsamer Auseinandersetzungen sind tief eingegraben in das kollektive seelische Bewusstsein dieser Menschheit, und offenbar sind diese Erinnerungen unbewusst jederzeit zur Hand.
Sie sind leicht „anzusprechen“ im Tiefenbewusstsein der Menschen. Das entschuldigt nichts. Es erklärt zum Teil, was immer wieder möglich ist trotz aller Beteuerungen von Friedenswillen. Aber sie — wir — haben kein Recht, den Naturreichen, den uns nachfolgenden Möglichkeiten der Menschwerdung, alle Wege zu erschweren, gar abzuschneiden. Ganz im Gegenteil: Unsere Aufgabe als Menschen ist doch in Bezug auf die Natur auch Wegbereitung. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling sprach vom vor uns aufgeschlagenen Buch der Natur, in dem wir die Geschichte unseres Geistes vom Mineral über die Pflanzen- und Tierwelt bis ins Menschenreich vorfinden. Dieses Buch des Lebens lädt uns zum Lesen, Erkennen, Wiedererkennen des Weges des Seelischen ein. Die Natur braucht uns Menschen, sie will gesehen, berührt, erkannt werden. So wie wir die Natur brauchen. Krieg ist immer auch Krieg gegen die Natur im Ganzen.
Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Kriegsgeschehen, Militäreinsätze, dass Militär überhaupt beträchtliche Umweltschäden und eine desaströse Ökobilanz verursachen — über die Schäden für das Seelische der Landschaft und der Natur wird aufgrund einer eingeschränkten Weltanschauung allzu bekannter materialistischer Couleur in der Regel gar nicht erst gesprochen.
Über die Rückwirkungen auf unbeteiligte Menschen anderswo, an in Resonanz stehenden entfernten Orten, auch nicht. Unsere Ahnungslosigkeit in Bezug auf die Wirklichkeit der lebendigen Zusammenhänge darf mit Fug und Recht als fast „grenzenlos“ bezeichnet werden. Keine Hyper-Technik, kein schein-naturwissenschaftliches Gebaren und Tun, keine relative Befreiung eines Teils der Menschheit aus Armut und völliger Unbildung hat daran etwas geändert.
Kein „daily Informiertsein“, kein KI-Treiben, kein noch so ausgeklügeltes Überwachungssystem hilft aus den Grundproblemen des Menschseins heraus: der Entwicklung und Entfaltung der genuin geistig-seelischen Potentiale im Einzelnen mit dem ganzen Zauber der schöpferischen Möglichkeiten, die sich auf alle Bereiche des Lebens erstrecken können und sollen — vom menschengemäßen, geomantischen Bauen, dem Pflanzen und Landschaft hegenden, pflegenden und entwickelnden Landbau und einem Land- und Waldnatur-Gewähren-Lassen über die regionalwirtschaftlich verankerte harmonische Bedarfsindustrie, die dereinst in naher oder ferner Zukunft gefundenen wirklichen Interaktionen mit dem Energiefeld der Erde. Die am jeweiligen Volkscharakter und an den hohen Allgemeingütern der Weltkultur orientierten Kultur- und Kunstweiterentwicklungen, starke Familien und beruflich-soziale Gemeinschaften, die dem persönlichen Wachstum des Einzelnen wirklich dienen – von der Wiege bis zur Bahre — im Wissen um Reinkarnationsgesetzmäßigkeiten und die spezifischen Aufgaben der Erdbevölkerung im großen Ganzen.
Nach dem Leben ist mitten in ihm, und kein Tod enthebt uns des langen, mühsamen, aber auch schönen und verheißungsvollen Weges der Bewusst- und Menschwerdung mit all seinen Höhen und Tiefen.
Wer bin ich? Wer war ich? Wer werde ich in der nächsten Verkörperung sein? Ein nur noch künstlich ernährter, in einem dystopischen Globalstaat lebenslang Gefangener, der sich allen Unmöglichkeiten zum Trotz doch der emanzipatorischen Möglichkeiten des Geistes zart, dann stärker und machtvoll erinnert, um mit anderen gemeinsam einen Ausweg aus absoluter Knechtschaft zu finden? Oder kann ich als fröhlich musizierender Landschafts- und Sternenphilosoph, Dichter und All-Tänzer im Ergebnis einer alsbald sich ereignenden Bewusstseinsrevolution ungeheuren Ausmaßes weiterhin mitwirken an umfassender Neugestaltung in jenem sagenumwobenen Friedensreich, das als Archetyp höchster menschlicher Kultur in jedem lebendigen Menschen unverlierbar, oft unbewusst, verankert ist?
Die tausenden, glitzernden Wassertropfen an den Zweigen — ich stehe gerade vor einem „Kristallwunderbaum“. Was für ein Bild, wenn man sich Blickzeit, Wahrnehmungszeit dafür nimmt. Höre ich ein leises Singen, wie von Wassertropfenglöckchen? Immer wieder überraschend, diese wohlangeordnete Pracht der Regenwassertropfen. So Mensch sein. Mit allen Facetten. Reines Licht wandelnd in den auf Erden erträglich-nützlichen Anblick des Ur-Seins der Gottheit in tätiger Menschengestalt. Ein forderndes, sicher auch überforderndes Bild, natürlich – dem man manchmal dennoch gerecht werden kann oder könnte? Für Momente? Besonders in den intensiven Phasen der Auseinandersetzung mit dem Pandemie-Regime waren und sind wir viele Male Zeuge geworden von Momenten eines hohen Menschentums im öffentlichen Raum, das beispielgebend war und ist. Frauen und Männer, auf Demonstrationen, in Textbeiträgen, in vielfältigsten Initiativen, in Online-Interviews, waren und sind in Erinnerung, weil sie aufgezeigt haben, welches Potential an Menschlichkeit und mutigem Vorangehen jenseits der nivellierenden, Scheuklappen-medialen Wahrnehmung in unserem Land nach wie vor vorhanden ist.
Der März-und-April-Schnee auf den Bergen und die Zeichnungen der schneebedeckten Äste am Bergwaldrand: Dieses Naturkunstbild greift mir tief in die Seele. Es zu sehen ist ein eigentümlich erinnernd-ordnender Akt sprachlosen Bewusstseins. Kein Maler wird diese Finesse und Ästhetik je erreichen, gleichwohl er diesem Bild etwas Einzigartiges hinzufügen kann. Ich sehe mich satt an Linien, Kontrasten, grafischen Mustern, am visuellen Zusammenspiel eines Baumorchesters am Berghang. So leben als Mensch, egal welchen Umständen ausgesetzt, an welchen Platz gestellt: Das Ganze widerspiegelnd im einmaligen So-Sein und in Erfüllung der gestellten Aufgabe. Am Platz wachsen, mit den anderen, für sie, für das Ganze, durchaus „unmerklich“, und warum nicht auch völlig „unbemerkt“ von der sich für „die Öffentlichkeit“ haltenden Öffentlichkeit.
Es ist eine Meditation wert: Die Vorstellung all des geheimnisvoll webenden Lebens, aller Lebensvorgänge auf dem und in dem Gestirn Erde, das, kaum eine Schlagzeile wert, ständig präsent, aktiv, unerkannt und tragfähig, der Boden und das Fluidum ist, auf dem der Mensch seine Auseinandersetzung mit sich selbst im Weltganzen vorantreibt, zelebriert oder pervertiert – mit all den Zwischentönen, die wir „Mischwesen“ aus Licht und Dunkelheit im Lebensvollzug hervorbringen.
Die Eleganz der sich ausdehnenden Kreise in den Pfützen zieht meine Blicke immer magisch auf sich, wenn von den über den Weg hängenden Zweigen der Bäume und Sträucher fallende Wassertropfen diese Urformen auslösen. Kleine Eintauchtöne dringen an meine Ohren. Eine Harmonie des natürlichen Wellen-Kreises, Sinnbild einer wachsenden Monade, die sich an die Unendlichkeit hält. Wir sind das gerichtete, widerstreitende Wechselspiel aus uraltem karmischem Seelen-Material und dem letztlich transzendentalen Ziel menschlicher Entwicklung, wie immer man es benennt. Der fallende, Kreise auslösende Wassertropfen ist mir symbolisch diese Essenz des Karmas — der unsichtbare Kreis der Kreise, auf den die Wasserkreise sich ausdehnend zustreben, der „kosmische Anthropos“ (1).
Das Macht-Gerangel der Welt ist neben vielem anderen immer auch Ausdruck dieses Grundzusammenhanges: des Kampfes der zwei Ur-Mächte, die die Schöpfung in ihrem permanenten Ringen konstituieren – des zerstörerischen Chaos und der schöpferischen Ordnung um die Vorherrschaft und den endgültigen Sieg im Menschen.
„Weltherrschaft“ ist beiden Ur-Mächten jeweils eingeschriebenes unaufgebbares Ziel. Die Anwandlungen der jetzigen „Eliten“ verwundern insofern überhaupt nicht. Sie sind — sozusagen — konsequent. Beide Ur-Mächte haben dieses Ziel der absoluten Vorherrschaft auf der Erde bisher nicht erreicht. Demokratie, so lernen wir in diesen Tagen, scheint eindeutig ein Trojanisches Pferd des Chaos zu sein – bei allen relativen und wertzuschätzenden Teil-Emanzipationen und periodischen Beinfreiheiten für den Bürger, die es selbstverständlich zu verteidigen gilt, weil sie auch den vorhergehenden Herrschaftsverhältnissen abgerungene Errungenschaften sind.
Die Vision einer multipolaren Weltordnung ist in meinen Augen ein notwendiger und unumgänglicher Schritt heraus aus der imperialen Vergewaltigung durch einen „Akteur“. Aber sie ist noch keine grundsätzlich neue Antwort auf die Frage nach der wirklichen Stellung des Menschen im Kosmos, seiner eigentlichen Bedeutung und Aufgabe, und die aus einer Neubeantwortung abgeleiteten vielfältigen Konsequenzen für Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik. Gleichwohl wird der Weg der „emanzipatorischen Multipolarität“ international weiter angegangen werden. Das Grundproblem der Bewusstseinskrise der Menschheit wird auch in dieser Macht-Konstellation erkennbar werden.
Im Tauprozess, wenn der Winter der Frühlingsmacht mehr und mehr weicht, zurückkehrt, weicht, ein kleines Winter-Frühlings-Tauziehen zelebrierend, wird mittels der Fähigkeiten des Wassers eine Eleganz herbeigezaubert, die etwas Überirdisches hat. Das Wasser erlaubt Lichtwirkungen im Bereich der Farben, gelb-weiß gleißend, die einen ins Grübeln kommen lassen können. Singen wir einst wahrheitsgetreu: Vom Wasser haben wir’s gelernt, vom Wasser haben wir’s gelernt … Vom Licht, da haben wir’s gelernt, vom Licht da haben wir’s gelernt? Als Kind sann ich über Licht-Wasser-Glanz gerne nach, wenn Sonnenlicht durch ein mit Wasser gefülltes Glas die sonderlichsten Figuren auf die Tischdecke oder an die Wand zauberte, abhängig vom Glasschliff oder Kanten und Enden. Was lernen wir permanent von Wasser und Licht: Fließen und Leuchten, die eigene Starre wahrnehmend aufzulösen, das Festhalten an unlebendigen Mustern im Verhalten aufzugeben, das eigene Dunkle, Unbewusste, Niederziehende zu erkennen, anzuerkennen — und zu durchlichten.
Ich sinne einmal mehr über Licht nach, über Licht als solches, über „unsichtbares“ Licht und das farbige Licht. Über das im Grunde doch unglaubliche Phänomen der Durchsichtigkeit der Luft, des Wassers und von Glas, das zur Unsichtbarkeit des primären Lichtes hinzutritt. Ist Durchsichtigkeit naturphilosophisch schon einmal erschlossen worden? Ich weiß es nicht. Durchsichtigkeit, Glanz, Durchscheinendes – was sagen uns diese Attribute über Materie, über das Zusammenspiel von Licht und Materie? Ist Materie in höheren Bewusstseinszuständen tatsächlich vollständig durchschaubar, wie einige Menschen mit Erfahrungen des „Übersinnlichen“ hie und da mitgeteilt haben? Was sagen uns die gänzlich verschiedenen Farbeindrücke von ein und derselben Fläche in Abhängigkeit vom Betrachtungswinkel?
Was sagt es uns, wenn die Farbeindrücke von verschiedenen Standorten wahrgenommen zur selben Zeit so verschieden sind, sein können? Wie kann das sein? Ich stelle mir vor, die Schöpfung, die schöpferische Maya, schaut sich selbst von allen Seiten aus an, von allen, unzählbaren Perspektiven aus. In einer Art Omni-Perspektivismus. Haben wir Menschen überhaupt die Möglichkeit, die Welt wenigstens ansatzweise in ihrer wirklichen Wirklichkeit zu erkennen, zu durchschauen? In ihr uns selbst?
Wenn, dann sicherlich träumerisch-kontemplativ und aktiv handelnd, wirksam ins Weltgetriebe hinein, wirksam im „unsichtbaren“ geistig-seelischen Bereich und in den Manifestationen. Das Licht singt sein vielstrophiges Lied in einer Sprache, die jedes Lebewesen versteht. Wir singen permanent in einem vielstimmigen Chor des Lebens. So allein wir uns manchmal fühlen mögen.
Auf dem Fußweg zur Fluss-Brücke fallen mir Melodien ein. Ich singe sie innerlich, manchmal auch vor mich hin. Ein paar Töne pfeife ich, manche gleitend, tongleitend. Dann bricht es urplötzlich aus mir heraus und der Körper versetzt sich in den „Dirigentenmodus“, dirigiert eine in mir aufkommende Musik, übersetzt sie in seine schreitend-tanzende Sprache. Es ist wie eine Kontaktimprovisation, die „Freitänzer“ erinnern sich, mit dem Unsichtbaren. Eine kleine Pirouette, eine galante Bewegung „wie bei Hofe“ — und die Instrumente in mir, vielleicht ein paar Streicher, nehmen die Körperbewegung auf. Es reagiert, das innere Orchesterchen, bildet neue musikalische Muster, variiert, improvisiert, forscht hörend in den Äther, in die Weltseele hinein. Irgendwann bin ich satt davon, atme zufrieden aus: So über die Lande ziehen, ein musizierender „Gärtner der Welt“, und mit jedem Schritt ein Blühen und Wachsen und Gedeihen.
Der Mensch geht voraus und voran, und mit ihm, im Schatten seines Lichtes, die Pracht der mitgeförderten Schöpfung, die ihn versteht, mit ihm geht, ein machtvoller Bäume-, Sträucher- und Blumenfrieden, der gleichzeitig „mit dem Hammer philosophiert“: Das seelisch Harte des den Weg Versperrenden muss vor ihm weichen. Das Friedlose — auch in mir — selbst muss zur Seite treten, das Erbarmungsunfähige in uns muss die Zügel der zügellosen Macht lassen. Das wird sein. Das wird. Das ist. Anders kann ich mir heute meinen Frühlingsfrieden in den Fußsohlen, wenn ich achtsam Schritt für Schritt die Füße „abrolle“, nicht erklären: Diese Freude an der unmittelbaren Berührung der Erde, an ihrer sanften Gravitation, die uns vielfältig hält und trägt, die Seligkeit, die im die Fußreflexzonen massierenden Kontakt der Füße mit dem Erdboden durch den ganzen Körper strömt und durch das Herz alles um uns herum in der Wirklichkeit berührt: das eigentliche Gespräch des Lebens, in diesen Augenblicken, Fußblicken, erhörend, spürend, weitertragend.
Die Schneeglöckchen sagen Ade für dieses Jahr und übergeben an die Forsythien. Bis nächstes Jahr! Was wird uns widerfahren sein, was wird uns gelingen in der Zeitspanne einer Sonnenumrundung? Werden wir mehr wir selbst sein? Kraftvoller? Die, die gehen müssen, bleiben bei uns. Andere kommen hinzu, die bei uns waren, die ganze Zeit. Irgendwann, wer weiß, wann, gehen wir selbst. Die Sterne und das bewusste All, Wesen hie und da, sehen in meiner Fantasie alles mit an. Wir selbst sehen alles mit an, blind und sehend, wie wir sind, und im Bemühen, unsere Blindheit zu überwinden, unserem Sehen trauender. Der schöpferische Geist, aus dem alles Lebendige hervorgeht, treibt uns voran, allem Widerstand zum Trotz. Mal ruhig, bedachtsam, geborgen im Kleinen und Überschaubaren, dann wieder in weiten Bögen und Horizonten, die wir nie ganz aus den Augen verlieren, das eine Ziel der Schöpfung in uns bewahrend: wirkliche, unumkehrbare Menschwerdung.
Und das, was die Natur uns an Ordnung und Harmonie vorlebt, ist weiterhin in menschliche Kultur, also auch in Widerstand gegen die Unkultur des Great-Reset-Managements, zu übersetzen, bis sich die natürliche geistig-kosmische Weltordnung auf dem ganzen Planeten als Folge des von vielen überschrittenen „Rubikon“ manifestiert. Viel Glück, Manova!
Manova! Mensch, erneuere dich! Wie ein Aufruf klingt das.
Ein Aufruf, der von jedem Menschen, wo auch immer er zu Hause ist, verstanden werden kann.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Ein Begriff, den Jochen Kirchhoff geprägt hat
„Die letzte Chance“ (erschienen bei Rubikon)
Für die Beilegung des Ukrainekonflikts und eine dauerhafte Weltfriedensordnung wurde nun eine Initiative gestartet — jedoch von einer zweifelhaften Institution.
Zur Erinnerung eine einfache Abfolge eines Waffenstillstand- und Friedensprozesses:
- Sofortige Waffenruhe zwischen der Ukraine und Russland an allen Frontabschnitten zur Vereinbarung eines Waffenstillstandes,
- Eintreten des Waffenstillstandes spätestens ein Jahr nach Beginn der Kampfhandlungen — Dauer mindestens 90 Tage,
- Unmittelbarer Austausch von Gefangenen und Verletzten, humanitäre Hilfe,
- Einfrieren aller Waffenlieferungen,
- Einstellung aller logistischen und strategischen Einflussnahmen Dritter in den Konflikt,
- Eruierung von Friedensverhandlungen und Fragen der kurz- und mittelfristigen Versorgung der betroffenen * Bevölkerungen,
- Beginn von Friedensvertragsverhandlungen mit abschließender Klärung des regionalen Konfliktes unter * Beteiligung eines Vermittlers wie dem derzeitigen brasilianischen Präsidenten. Dauer 3 bis 6 Monate.
Unmittelbare Ziele
- Vermeidung von weiteren Opfern, Erholung für die Soldaten,
- Normalisierung des Lebens für die betroffenen Zivilbevölkerungen,
- Erhalt von Infrastruktur und Industrien,
- Schaffung einer Ausgangsbasis für eine langfristige Lösung.
Mittel- und langfristige Ziele
- Wiederaufbau der zerstörten Gebiete,
- Klärung der politischen Perspektive der Ukraine,
- Schaffung unhintergehbarer Sicherheitsgarantien mit dem Ziel einer stabilen Weltfriedensordnung.
Hintergrund
Verhandlungen, das ist kaum bestreitbar, müssen früher oder später den Schlusspunkt setzen unter diese Auseinandersetzung. Die Annahme, dass es sich bei dieser um eine stellvertretende Auseinandersetzung zwischen den Großmächten Russland und USA handelt, ist begründet. Sie ist Teil der gegenwärtigen Kräfteverschiebungen im globalen Maßstab. Dies haben viele Beobachter und Analysten bestätigt. Zuletzt hat sich auch die chinesische Regierung in dieser Richtung geäußert (2).
Der bisherige Ablauf der Auseinandersetzung in der Ukraine lässt darauf schließen, dass der Konflikt von den ihn steuernden Kräften entlang einer bestimmten Linie gefahren wird, die die äußerste Form der atomaren Eskalation zu meiden sucht bei größtmöglicher Schädigung der binneneuropäischen Beziehungen und Kräfte. Das RAND-Papier ist Ausdruck dieses Vorgehens. Kein Mensch kann die atomare Eskalation allerdings seriös ausschließen. Sie bleibt als ganz reale Drohkulisse beständiger Hintergrund des Geschehens, so wie in „Nachkriegs-Friedenszeiten“ auch. Eine zynische „realpolitisch“ begründete Akzeptanz der jetzigen Kriegssituation verbietet sich ohnehin.
Die Perspektive
Deutschland, Europa und die Weltgemeinschaft haben ein vitales Interesse daran, zur friedlichen Beilegung von Konflikten zurückzukehren beziehungsweise beizutragen. Wenn die derzeitige deutsche Regierung dem nicht Rechnung trägt, dann stellt sie sich selbst in Frage.
Die jetzt entstandene Situation muss dazu genutzt werden, den regionalen, geschickt induzierten Konflikt langfristig auf dem Verhandlungswege zu lösen und den Schwung dieser Bemühungen und ihres möglichen Erfolges für eine Kampagne zur Befriedung der Weltpolitik und Gewährleistung von Sicherheitsgarantien für jedes Volk zu nutzen.
Wie könnten die konkret aussehen?
Die geopolitischen Spannungen nehmen weiter zu. Entsprechende Ankündigungen, zum Beispiel zum Konflikt zwischen den USA und China, durchziehen regelmäßig die Presse. Die offenbar gezielt medial gehypten Berichte über „Spionage-Ballons“, was auch immer sie im Speziellen sein mögen, erscheinen als vorausgreifende Pseudo-Begründungen für Aggressionen in der nahen Zukunft. Soll Taiwan der nächste Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen mit Weltkriegspotenzial werden? Ganz offenkundig. Und was kommt danach?
Eine anzustrebende Weltfriedensordnung bedarf natürlich vieler Voraussetzungen. Erkennbarer politischer Wille auf allen Seiten ist die wichtigste. Realismus und Kompromissbereitschaft sind selbstverständliche Begleiter dieses Ansinnens. Interessen müssen benannt, austariert und, wo nötig, korrigiert werden. Man darf diese Perspektive nicht nur nicht aufgeben — so illusorisch sie in vielerlei Hinsicht erscheinen mag. Sie muss überhaupt erst in ihrer ganzen Tragweite und Tiefe entstehen und verstanden werden. Und nur eine von vielen zu lösenden Fragen wird sein: Wie sollen die russischen Entscheider dem Westen vertrauen nach den unmissverständlichen Äußerungen von Angela Merkel zum Sinn und Zweck von MINSK II?
Eine denkbare Schrittfolge
Denkbar ist es, fordern kann man es, wenngleich das integrierende, zur Weltfriedensgemeinschaft sozusagen zwingende, schwächer veranlassende Agens nicht in Sicht scheint : Ein erster Schritt in Richtung einer Weltfriedensordnung könnte die wirksame Vereinbarung der Großmächte Russland, USA, China und anderen sein, die je vorhandenen Sicherheitsinteressen offen zu kommunizieren, zu respektieren und für die Weltöffentlichkeit nachvollziehbar und sichtbar niederzulegen.
Dies liegt im Interesse aller Länder, die letztlich immer Betroffene der Auseinandersetzung zwischen den Atom-Mächten respektive Großmächten sind. Im zweiten Schritt wäre eine Vereinbarung zu schließen, die verbindlich jegliche Erstschlags- und Angriffsstrategie ausschließt. Im dritten Schritt wäre, unabhängig von den Verteidigungsbündnissen, eine Orientierung auf Nicht-Angriffsfähigkeit aller militärischen Verbände in den Blick zu nehmen. Im vierten Schritt wäre eine verbindliche Abrüstungsinitiative zu ergreifen, die die Nicht-Angriffsfähigkeit bei zu erhaltender Verteidigungsfähigkeit umsetzt. Die dabei notwendig umzusetzenden Konversionen müssen von Anfang an mitbedacht und klar kommuniziert werden.
Wie oft sind derartige Schrittfolgen benannt worden? Wie oft sind die hehren Absichten gescheitert? Was haben wir offensichtlich in der Tiefe noch nicht genügend erfasst und bewältigt? Haben wir noch Zeit, auf einen „kollektiven Bewusstseinsschub“ zu warten, der nicht nur behaupteten Friedenswillen sondern auch potente Friedensfähigkeit zum Resultat hat, und zwar in solcher Mächtigkeit, dass keiner mehr die Hand gegen den anderen erheben kann?
Ausblick
Der Aufbau einer Politik des Vertrauens in globalem Maßstab unter Wahrung der Interessen der Völker ist unumgänglich. Ohne belastbares Vertrauen „ist alles nichts“. Der Verzicht auf einseitige Schuldzuweisungen und die gegenseitige Akzeptanz legitimer Interessen sind hier notwendige Ausgangspunkte. Gleichzeitig muss uns bewusst sein, dass es sehr wohl Kräfte im Hintergrund des Weltgeschehens gab und gibt, die tonangebend keinerlei Interesse an einer Weltfriedensordnung haben. Sie leben vom Zwist der Völker, vom Krieg des Einzelnen gegen sich selbst und von unserem bisherigen Unvermögen als Weltgemeinschaft, die Sphäre von geistiger Gefangenschaft und Selbstlähmung zu erkennen und zum Einsturz zu bringen.
Die Situation in der Ukraine hat nun eine besonders herausfordernde Situation geschaffen, die Deutschland und Europa einerseits implizit dazu aufruft, eine wirklich souveräne und von den eigenen Interessen geleitete Politik einzuleiten, die sich von den USA emanzipiert.
Und andererseits glaubhafte Gesten und Impulse zu setzen, den eigenen latenten Imperialismus umzuwandeln in Kooperationsfähigkeit und Konzentration auf die Konsolidierung und Neubestimmung des eigenen Bereiches. Germany first? Potschemu njet? In gewisser, vor allem kultureller Weise auch das.
Die vielfältigen, in diesem Prozess notwendigen Schritte in der Grundlegung einer praktikablen und haltbaren Weltfriedensordnung müssen Gegenstand umfassenderer Überlegungen sein als bisher. Für mich gehört dazu eine vertiefte Aufnahme und Weiterentwicklung einer transzendental ausgerichteten Naturphilosophie, die die Frage nach dem Sinn des menschlichen Daseins stellt und lebbare Antworten in uns hervorruft. Weltfriedenspolitik kann nur das Resultat von sich selbst Erkennenden und gegenseitig Anerkennenden sein, nicht von Monstern oder innerlich halbwüchsig gebliebenen Möchtegernmachern, die man irgendwie besänftigt und für Augenblicke ruhigstellt.
Ganz sicher bedarf es auch neu zu schaffender diplomatischer Formate, da sich die UNO bisher als unfähig erwiesen hat, entscheidend friedensstiftend zu wirken. Zu den grundsätzlichen Überlegungen gehören unter anderem die Einhegung von finanzpolitischen und wirtschaftlichen Interessen und ihr Ausgleich in einer sich umstrukturierenden globalen Ordnung. Globalismus ist Krieg gegen den beheimateten Menschen und das genuine Volksein. Wem sage ich das …
Das Bewusstsein für die Vielschichtigkeit des Prozesses und der Wille, ihn endlich einzuleiten, sind ebenfalls unumgänglich. Es ist höchste Zeit für einen Wandel im weltweiten geistigen und politischen Klima. Aber wer kann ihn einleiten und vor allem auch sinnvoll steuern und zum Erfolg führen? Wir müssen die Fragen stellen, sie aushalten. Sie mit ganzer Seele stellen. Wir sind ja, soviel wissen wir, auch Teil der Antwort.
Der Krieg in der Ukraine kann und muss innerhalb von kurzer Zeit beendet werden. Daran besteht kein Zweifel. Wenn das auf einem intelligent und sensibel kommunizierten Verhandlungsweg gelingt, dann kann das inspirierender Mitausgangspunkt werden für den Prozess der Schaffung einer Weltfriedensordnung.
Die Worte „Waffenstillstand“ und „Weltfriedensordnung“ sind möglicherweise Schlüsselbegriffe. Ihre permanente Implementierung in die öffentlichen Debatten und ihre Diskussion in den Bevölkerungen wie in Regierungen und Entscheidungsgremien sind überfällig. Ein Insistieren auf diesen Begriffen mag im ersten Moment angesichts der politischen Realitäten als naiv erscheinen. Die Fokussierung eines unbestreitbaren Zieles, sei es von einzelnen Parteien auch nur behauptet und nicht dezidiert mit Taten hinterlegt, kann jedoch ein Türöffner für Interessen ausgleichende Entwicklungen sein.
Letztlich stellt die Weltfriedensordnung einen Prozess dar, der die Grundlagen unserer Zivilisation völlig neu bestimmen muss. Wir werden erleben, dass eine lediglich multipolar neu geordnete Weltpolitik des „Weiter so“ mit Industrialismus und Digitaloptimierungen aller wesentlichen Lebensbereiche zum Scheitern verurteilt ist.
Ohne eine umfassende Bewältigung der „Weltbewusstseinskrise“, die spätestens mit den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts sichtbar auf den Plan trat, werden wir die Kämpfe um verdeckte wie offensichtliche Vormacht und Beherrschung weltweit nicht beenden können. Und das Ende dieser Kämpfe wäre ja auch noch längst kein Frieden im Sinne wirklicher Lösung des Grundkonfliktes der Menschheit: Wie gelingt es ihr, wie gelingt es dem Einzelnen, sich in den gegebenen geistig-kosmischen Zusammenhang des Lebens auf der Erde immer wieder einzuordnen und schöpferisch — mit ganzem Herzen – zum Wohle des Ganzen tätig zu sein? Wie gelingt mir das ganz persönlich?
Was machen wir mit dieser Info?
Zum Schluss möchte ich auf drei Veranstaltungen hinweisen, die ich als Beiträge zur Diskussion einer echten Friedenordnung verstehe. Mögen diese, wie viele andere Begegnungen und Diskussionen in den kommenden Tagen erfolgreiche und folgenreiche Impulse setzen können, denn es geht ja nur gemeinsam voran:
- 18. Februar 2023, 14-16 Uhr – Umzug und Kundgebung – Frieden Jetzt. Nein zur Kriegskonferenz. Berlin, Alexanderstraße 1 (3).
- 25. Februar 2023, 14 Uhr — Kundgebung „Aufstand für Frieden“ mit Alice Schwarzer, Sahra Wagenknecht und Brigade-General a.D. Erich Vad, Berlin am Brandenburger Tor (4).
- 26. März 2023, 14-19.30 Uhr — Symposium Falkensee, „Deutschland und Europa in der Krise“ mit Wolfgang Wodarg, Marius Krüger, Hauke Ritz (5).
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.rand.org/pubs/perspectives/PEA2510-1.html
(2) https://www.berliner-zeitung.de/news/china-gibt-usa-schuld-fuer-krieg-in-ukraine-li.312325
(3) https://demokratischer-kalender.de/de/event/umzug-und-kundgebung-frieden-jetzt-nein-zur-kriegskonferenz-berlin-2023-02-18/2023-02-18-14-00
(4) https://www.aliceschwarzer.de/artikel/kundgebung-aufstand-fuer-frieden-340051
(5) https://www.eventim-light.com/de/a/6328c97db4e55a044a298335/e/63c85c077dbd0f2f929dc0ad/
Frieden durch richtiges Regieren
Ein Text von Uli Fischer (1.3.2023)
Die Kundgebung „Aufstand für den Frieden“ am Samstag, dem 25.2.2023 vor dem Brandenburger Tor war und ist für mich und viele Teilnehmer ein voller Erfolg. Zehntausende Menschen demonstrierten friedlich und lebendig ihre Haltung zu Krieg und Frieden. (1) ARD und ZDF hatten zumindest am Kundgebungsabend offenbar für den Moment verstanden und sendeten Berichte vergleichsweise fairen Charakters. Die Medien stehen auf dem Prüfstand – nicht die Bürger, die sich für die Belange ihres Landes und die Weltgeschicke auf vollkommen friedliche Weise und im Rahmen der demokratischen Spielregeln einsetzen. Zur Verantwortung für den Ukraine-Krieg und den weiteren Umgang mit der Situation sind offensichtlich ganz verschiedene Meinungen in der Bevölkerung präsent. Das gilt es fair und angemessen gewichtet im gesellschaftlichen Diskurs abzubilden. Punkt. Die Versuche, die Initiatoren und den Impetus des „Manifestes für den Frieden“ niederzumachen oder in ein abwertendes Halblicht zu stellen, können bei dialogbereiten und -fähigen Bürgern nicht verfangen. 715.00 Unterzeichner (Stand1.3.2023) des Manifests sprechen eine deutliche Sprache.
Schön, dass sich gerade in der überraschenden Verbindung von „Sahra Wagenknecht Ost“ und „Alice Schwarzer West“ eine Vereinigung der konkrete Befriedungsschritte fordernden Kräfte manifestiert und sich gemeinsam mit Erich Vad und Hans-Peter Waldrich eine Quadriga der Geschlechter-Gleichberechtigung und einer wirklichen deutschen Wendezeit symbolisch begegnet. Die Kundgebung, die ich vor Ort gemeinsam mit Freunden erlebt habe, entfaltet nun ihre Langzeitwirkung entfalten. Das ist sicher. Und das auch im Ausland, denn die deutschen Stimmen werden weltweit natürlich genau registriert, nicht nur in Russland. Es wird selbstverständlich weitergehen in verschiedenster Form mit den Impulsen, die eine Umorientierung des Regierungshandelns bewirken sollen.
Die Auseinandersetzung um den richtigen Kurs Deutschlands in der jetzigen Zeit, die fast Vorkriegscharakter hat, muss intensiv weitergeführt werden. Auch Die Gespräche „Unter den Linden“ von Kundgebungsteilnehmern mit den Demonstrierenden vor der russischen Botschaft waren ein Beispiel: Es geht auf friedliche und nicht-diffamierende Weise, auch wenn die Emotionen intensiv mit im Spiel sind.
Die strategisch entscheidenden Weichenstellungen in Richtung Friedenswiederherstellung sollten jetzt vorbereitet und dann auch vorgenommen werden. Dazu gehört ein klares Nein zu allen kriegsbefördernden Aktivitäten, die von deutschem Boden mit ausgehen und das Insistieren auf Waffenstillstand und Friedensverhandlungen, die von gewichtigen internationalen Akteuren wie China, Brasilien und Indien mit angebahnt werden. Das muss und darf oft genug wiederholt werden: Nein zu deutscher Unterstützung und nein zu fortgesetztem Waffengang. Ohne weitere Vorbedingungen. Wir brauchen eine Regierung, die Souveränität in der Außenpolitik und Friedenswillen klar unter Beweis stellt. Die Kundgebung war ein eindrückliches Zeichen für das Empfinden, dass die jetzige Regierung Scholz ihrer Verantwortung nicht gerecht wird. Eine genuine deutsche Friedens-Initiative beispielsweise ist das Mindeste, was zu leisten und anzubieten ist. Wo bleibt sie?
Hauke Ritz kommt in seinem Beitrag „Warum der Weltfrieden von Deutschland abhängt“ (2) auf einen entscheidenden Punkt zu sprechen: „Es gibt nur eine Grenze, die Washington in seiner Eskalationsbereitschaft Einhalt gebieten könnte. Und das ist die Grenzlinie, die Berlin zieht! Denn ohne Deutschland, wie bereits erwähnt, könnten die USA die Ukraine militärisch gar nicht unterstützen. Wenn unser Land sich diesem Krieg verweigert, dann endet er auch. Und umgekehrt, wenn wir uns als Logistikknotenpunkt, Koordinationszentrum und zukünftiges Schlachtfeld zur Verfügung stellen, dann wird dieser neue große Krieg mit hoher Wahrscheinlichkeit auch stattfinden. (…) Denn die beiden Nuklearmächte stehen mit dem Rücken an der Wand und wissen sich nur durch Eskalation zu helfen. Ob der große Krieg geführt werden wird, entscheidet somit nicht Washington und auch nicht Moskau, nein, diese Entscheidung fällt in Berlin. Nur Berlin kann die fortschreitende Eskalation unterbrechen. Dazu allerdings müssen wir zunächst aus dem Wiederholungszwang unserer eigenen Geschichte ausbrechen. Wir müssten wenigstens einmal die Fähigkeit haben, uns in einer Vorkriegssituation zu bewähren. Und das heißt heute, die USA mit einem unmissverständlichen, mit Maßnahmen und Taten unterlegtem „Nein“ zu konfrontieren. Wird es uns gelingen?“
Diese Frage stellen und beantworten wir Deutschen gerade in einem schwierigen und unübersichtlichen Prozess. Auf der einen Seite ist mittlerweile deutlich, dass ein Großteil der Bevölkerung eine weitere Eskalation des Krieges in der Ukraine mit Waffenlieferungen nicht unterstützt, ja auch eine Verhandlungslösung wünscht, auf der anderen Seite erleben wir eine Regierung, die sich entweder schon zum Kriegsteilnehmer macht, verbal und tatsächlich, oder als Rüstungsauftragsbeschaffungsagentur zu fungieren scheint. Das erinnert an die unverblümte Mittler-Tätigkeit des Regierunsgapparates für die Pharma-Industrie während der sogenannten Corona-Pandemie.
Es steht also auch die Frage: Wer soll das mögliche und notwendige Nein des deutschen Volkes den USA überbringen und es umsetzen? Eine dementsprechend handlungswillige, vielleicht auch Diplomatie-fähige Regierung ist realistisch gesehen im Moment nicht vorhanden. Oder doch? Am 3.3. trifft Bundeskanzler Scholz mit dem US-Präsidenten Biden zusammen. Dort hätte er die Möglichkeit zum Beginn einer Absetzbewegung. Er wird diese Möglichkeit nicht nur verstreichen lassen, sondern wahrscheinlich den Kurs weiterer Eskalation im Sinne der geostrategischen „Interessen“ der USA unterstützen und verfestigen. Gegen alle Warnungen und weit vorbei an der Wahrung der nationalen Interessen.
Die Corona-Krise hat zuletzt verdeutlicht, dass es in Deutschland genügend kompetente, politisch denkende Menschen mit Bildungshintergrund, beruflicher Lebenserfahrung, echter Menschlichkeit und begründeter Vision gibt, die für eine friedenspolitische Initiative zusammenarbeiten könnten – und nicht nur um das Schlimmste zu verhindern, sondern auch um einem umfassenden gesellschaftlichen Neubeginn zumindest den Boden zu bereiten. Natürlich sind diese Menschen seltener in den etablierten Parteien zu finden. Einer Regierung der nationalen Verantwortung in einer besonderen politischen Wendezeit-Situation könnten sie dennoch ohne Weiteres angehören.
Sarah Wagenknecht spricht einen wichtigen Punkt im Interview ein paar Tage vor der Kundgebung mit den Nachdenkseiten (3) auf ihre Weise an:
„Frage NDS: Wie können wir, Deutschland und EU, uns aus der desaströsen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Hörigkeit und Abhängigkeit von den USA lösen? Was bräuchte es, um dies überhaupt zu einem realistischen Szenario zu machen?
SW: Also, in erster Linie bräuchte es einen Bundeskanzler mit Rückgrat. Und Koalitionspartner, die ihn dabei unterstützen. Auf europäischer Ebene sollte die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit Ländern wie Frankreich suchen, die sich traditionell ein unabhängigeres, souveränes Europa wünschen.“
Wer wünschte sich im Moment nicht eine Frau wie Sahra Wagenknecht als Bundeskanzlerin? Sie hat bewiesen, dass neben nüchterner Sachlichkeit, politischer Expertise, geistigem Feuer und Standhalten in grundsätzlichen Fragen auch Integrationsfähigkeit in der Sache und Menschlichkeit, auch im Umgang mit Gegnern ihrer Positionen, ihr eigen sind. Eine Person wie sie an der Spitze unseres Landes wäre in vieler Hinsicht ein Segen! Möge sie, wie viele andere Akteure der gesellschaftlichen Erneuerung auch, gut behütet sein. Wir wissen sehr wohl um die Gefährdungen, die mit dem Wirken in der Öffentlichkeit gegen die politischen Doktrinen verbunden sind oder verbunden sein können. –
Ich würde zu ihrer Aussicht auf die Koalitionspartner eines europäischen Neubeginns hinzufügen: Ein unabhängiges, souveränes Europa ist vollumfänglich wahrscheinlich nur im naheliegenden Dreiklang Frankreich-Deutschland-Russland denkbar, der die Basis für eine überzeugende Lösung der europäischen Frage darstellen könnte, weil er eine genügende Mentalitäts-Spannweite von europäischen Kraftzentren abbildet vor dem Hintergrund gemeinsamer Geschichte und Bezugspunkte sowie realisierten Überwindungen von Konflikten. Diese „Achse“ wäre über einen bereinigenden Neuanfang möglich. Ein solcher ist denkbar – Russland hat bei aller Abwendung vom Westen ein natürliches und oftmalig bekundetes Interesse an gesunden europäischen Beziehungen dokumentiert. Es wird bei ernstzunehmenden Angeboten darauf zurückkommen mit entsprechender Absicherung. Davon bin ich überzeugt.
Zunächst müssten sich sicher Deutsche und Franzosen einig sein in der Frage der Souveränität des jetzigen „Halbkontinents“. Eine deutliche Abkehr von den Bestrebungen, Russland zu demontieren, müsste klar erkennbar werden. Russland beantwortet den US-Imperialismus auf seine Weise mit dem Festhalten am Gedanken der in vieler Hinsicht real schon existierenden multipolaren Weltordnung. Die Resilienz in Bezug auf die Sanktionen des Westens und die vergleichsweise klaren Analysen und öffentlich gemachten politischen Betrachtungen der Gesamtsituation durch die russische Seite sind bemerkenswert. Das gilt es in den Mittelpunkt aller Bemühungen zu stellen; Verurteilungen der Politik Russlands nach innen und außen sind auf der einen Seite zwar verständlich, auf der anderen Seite aber kein sinnvoller Ausgangspunkt für Verhandlungen und diplomatische Annäherungen, da die Hauptverantwortung für den Ukraine-Krieg nicht auf russischer Seite liegt noch lag.
Ein deutliches Nein zur direkten und indirekten Kriegsführungsunterstützung von deutschem Boden hätte im Moment gute internationale Bedingungen: Die brasilianische Friedensclub-Initiative, der chinesische 12-Punkte-Friedensplan basierend auf der Chinesischen Friedensinitiative – und auch die Inder sind aktiv an einer Friedenslösung interessiert. Sicher ist dies so, weil alle internationalen Beobachter die hohe Brisanz des Ukraine-Krieges für ihre eigene Sicherheit erkannt haben und um die eingeschränkte Vermittlungsfähigkeit der bisher in solchen Fällen angerufenen internationalen Organisationen wie der UNO wissen. Der ehemalige UN-Diplomat Hans-Christof von Sponeck hat auf die unausgeschöpften Potentiale der UN-Charta nochmals hingewiesen, die im Prinzip ausreichen würden, um jeden Konflikt weltweit beizulegen – politischer Wille vorausgesetzt. Darüber hinaus könnten auch ganz andere, richtungsweisende Impulse gesetzt werden: „Plädieren wir für zwei Prozent zur Stärkung des Friedens und nicht zwei Prozent für erhöhte Waffenproduktion“ – so sein Vorschlag auf einem Vortrag am 19.2.2023 in Frankfurt am Main. Was für eine wunderbare, griffige Umkehrung der Rüstungslogik, die über die NATO den europäischen Staaten übergeholfen wurde.
Viele Einzelstimmen haben sich erhoben: Selbst ranghohe ehemalige und aktive Mitglieder des US-Militärs haben sich deutlich gegen eine Fortsetzung der Kriegslogik ausgesprochen. Das alles macht Hoffnung.
Die Demonstrationen am 18. Februar 2023 aus Anlass der Münchener Sicherheitskonferenz haben gezeigt, dass es einen Teil der Bevölkerung zu Bekundungen von Deeskalations-Forderungen auf die Straße treibt, wenn man im Hotel zum Bayerischen Hof in München (MSC) meint, bei zentralen Sicherheitsfragen ohne Russland auskommen zu können und die derzeitige Konfliktlage ohne Verhandlungen auf der Basis des Narratives rein militärischer Sicherheit lösen zu können. Die Kundgebung „Aufstand für den Frieden“ am 25.2. vor dem Brandenburger Tor war ein weiterer Gradmesser für die sich verstärkende Willensbildung in unserem Land sein, aus der heraus eine Veränderung der Regierungshaltung bewirkt werden könnte. Eine faire Diskussion des Ereignisses und aller Vorschläge zu Verhandlungen bleibt zu wünschen. Sie wird am Ende den Medien und der Politik in unserem Land abgerungen und im öffentlichen Raum durchgesetzt werden müssen.
Entweder gibt es in nächster Zeit – wieviel Zeit haben wir noch für eine Kurskorrektur ? – ein Einlenken und eine konsequente 180 Grad-Wende der jetzigen Regierung Scholz, so unwahrscheinlich das im Moment erscheinen mag, oder eine Kurskorrektur wird möglich durch eine sich im Verlaufe der kommenden Monate ergebende neue Situation mit friedenswilligen, real- und visionspolitisch wirklich fähigen Menschen an der Spitze unseres Landes. Eine neue Friedensbewegung, und dies in einem umfassenden Sinne, hat begonnen, wie Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer betont haben. Sie ist Mitvoraussetzung für eine neue Politik einer souveränen deutschen Haltung und Aktivität auf internationalem Parkett und Besinnung auf einst geschätzte Vermittlungsfähigkeiten.
Freuen wir uns auf viele Veranstaltungen (4), Diskussionen,Wortmeldungen und künstlerische Beiträge, die dazu beitragen, den geistigen Klimawandel (5, 6) zu befördern, aus dem der Umbruch der Gesellschaft schöpferisch gestaltbar werden kann. Wenngleich auch viel Altes gehen muss, und das sicher nicht ohne entsprechende Abwehrkämpfe geschehen wird: Die Kugel rollt. (7) –
Die Bundestagsdebatte am 2.3.2023 mit der Rede des Bundeskanzlers Scholz aus Anlass seiner Wendezeit-Proklamierung vor einem Jahr hat deutlich gemacht: Regierung, Regierungsparteien und große Teile des Parlamentes sind nicht in der Lage, eine sinnvolle Kurskorrektur vorzunehmen. Man setzt auf fortgesetzte Eskalation und bleibt beim zurechtgestutzten Narrativ eines rein russischen Angriffskrieges. Damit ist eine Verstärkung in Richtung der Auseinandersetzung in unserem Land um eine interessengeleitete Friedenspolitik unumgänglich, die nun weiterhin in erster Linie außerparlamentarisch mit hohem Nachdruck angestrebt und erreicht werden muss. Man hat den Eindruck, dass Regierung und Parlament nicht nur in der Frage des Ukraine-Krieges keine wirklich sinnstiftenden Antworten auf die wirklichen Herausforderungen unserer Zeit hat – siehe auch die sinnlose „Klimarettungs“politik, die weitere Fehllenkung des Gesundheitssektors, die ungehemmte und verlogene Schulden-Politik samt Digitalgeld vorbereitender Forcierungen u.u.u.
In der Berliner Zeitung vom 28.2.2023 hat sich Daniela Dahn mit einer guten Verteidigung der Kundgebung und der Aktivitäten der Bürgerschaft gemeldet (8): „Daniela Dahn zur Friedensdemo: ,Jetzt lassen wir nicht mehr locker‘. Die Schriftstellerin Daniela Dahn sieht den Neubeginn einer machtvollen Friedensbewegung. Es wundert sie nicht, dass die Medien nervös sind. Ein Gastkommentar“. Ja, wir lassen nicht mehr locker. – Dafür wünsche ich uns allen dafür Kraft, Geduld, Mut, genügend Schutz, und kühlen Kopf – und Friedens-Fortune.
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Verlinkte Quellen und Hinweise im Text:
- https://www.emma.de/artikel/news-von-annika-340163
- https://www.nachdenkseiten.de/?p=93901
- https://www.nachdenkseiten.de/?cat=209
- https://www.oval.media/deutschland-und-europa-in-der-krise/
- https://www.rubikon.news/artikel/der-geistige-klimawandel
- https://www.rubikon.news/artikel/der-geistige-klimawandel-2
- https://www.rubikon.news/artikel/die-kugel-rollt
- https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/daniela-dahn-zur-friedensdemo-jetzt-lassen-wir-nicht-mehr-locker-li.322839