Für Georg Philipp Friedrich von Hardenberg

Die Beschäftigung mit den als „Fragmenten“ bekannten Gedanken und Ideen von Novalis ist für mich interessant und fruchtbar; natürlich findet man unter ihnen auch „Rohsteine“ und „Abfall“, der eben im Steinbruch des (Zeit)Geistes anfällt bei der Herausarbeitung der angestrebten und gemeinten Form. Des ungeachtet sind anerkanntermaßen auch viele „Edelsteine“ und „Vollkommen-Geschliffenes“ dabei, die in der Geschichte der allgemeinen Wahrheitsfindung (um das mißverständliche Wort `Philosophie`hier zu vermeiden) ihren ganz eigenen Platz haben.

Hier ein kleiner Text von mir zum Wert des Fragmentes allgemein als Übung und zu Ehren des von Hardenberg, natürlich in der „Form eines Fragmentes“, welches die inhaltlichen Anreger des Textes – außer Novalis selbst – nicht unerwähnt lässt:

„Nun ist das Fragment nicht nur Teil von etwas unsichtbarem oder nicht mehr sichtbarem Größeren, auf das es Bezug nimmt, ohne dies explizit mitzuteilen, das ist es tatsächlich, sondern auch generelle Metapher auf die verfassende und die betrachtende Person und das Persönliche allgemein im Verhältnis zur Wesensganzheit.
Insofern bezeichnet es eine endliche Unendlichkeit oder – diskrete Unauslotbarkeit (Kirchhoff), in der das unendliche Ganze immer vollständig anwesend ist (Bruno).
Ganz sicher braucht man, um dies erfassen und erleben zu können, eine umfassende Idee vom Ganzen und seiner größeren Gestaltung (Krause, Bruno, Kirchhoff), deren Repräsentant das Fragment – im besten Fall – darstellt.
Es stellt den Betrachter vor eine Aufgabe, vor eine Frage, der sich dieser kaum entziehen kann und soll. Daher ist das Fragment oft auch ein Frag-ment oder eine These und harrt der höheren Meditation des Betrachters und der wünschenswerten Bestätigung (oder Verwerfung) durch echte Theoria: was und wie ist das Teil in Bezug zum Ganzen und wodurch (und „woher-wohin“ und wofür).
Die Vermeidung eines zu Recht befürchtbaren frivolen Beigeschmackes (Schelling) durch ein nur oberflächliches – und damit falsches – Berühren der geistigen Gegenstände gelingt dem Verfasser des Fragmentes nur durch quasipoetische Intensität und unabweisbare Ernsthaftigkeit, deren höchste Auszeichnung das Gelingen von unnachahmlicher, authentischer, schwerwiegender Leichtigkeit ist, die dem Betrachter Momente des Kontaktes zum je eigenen Genius ermöglichen und bereiten, voausgesetzt, dieser ist zu Mitarbeit am Sinn des Fragmentes bereit und befähigt, zu Mitarbeit an sich selbst als Fragment und sich selbst als Ganzes.“
Uli Fischer